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Direkte und indirekte Auswirkungen der Corona-Krise in Nepal

Nachdem in Nepal die Zahlen der Covid-19-Erkranken anfangs nur langsam stiegen, hat es in der letzten Woche einen sprunghaften Anstieg gegeben. Uns mögen die aktuell 1811 diagnostizierten Fälle immer noch gering erscheinen, aber das arme Land ist damit schon jetzt überfordert. Neben den beständig steigenden Zahlen, erschrecken mich beim Lesen der Kathmandu Post auch die Nebenerscheinungen der Pandemie. Es zeigt sich immer deutlicher, wie groß die Defizite im Gesundheitssystem sind, wie schwach das soziale Netz. In den letzten Wochen ist die Zahl der Frauen, die durch Geburtskomplikationen gestorben sind stark gestiegen. Viele Frauen möchten aktuell nicht in einem Krankenhaus entbinden, die Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 ist zu groß. In anderen Fällen mussten Hospitale Frauen abweisen oder konnten ihnen die nicht nötige Behandlung zukommen lassen. Auch andere Patienten können in Notfällen nicht adäquat behandelt werden.

Kontaktpersonen von Covid-19-Patienten müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Quarantäne gehen. Es gibt keine geeigneten Stationen, Menschen werden zusammengepfercht. Es gibt Berichte von 25 Personen in winzigen Zimmern mit unzureichenden sanitären Einrichtungen.

Ebenso erschreckend sind die Nachrichten über Nepalesen, die im Ausland festsitzen. In Indien haben sich Lager gebildet, in denen Nepalesen an der geschlossenen Grenze unter schlimmsten hygienischen Bedingungen ausharren, hoffend, dass sie bald in die Heimat zurückkehren können. Welche Folgen der Ausbruch einer Krankheit unter diesen Umständen hätte – sei es Covid-19 oder eine andere Infektion – kann sich wohl jeder ausmalen.

Auch für die Nepalesen, die zum Arbeiten in die Emirate gegangen sind, geht es aktuell ums nackte Überleben. Schon in normalen Zeiten sind die Bedingungen für diese Arbeiter oft nicht menschenwürdig. Mit dem Ausbruch der Pandemie wurden ihnen die Jobs gekündigt und sie ohne Geld auf die Straße gesetzt. Die kleinen Ersparnisse reichen nicht, um für Miete und Lebensmittel aufzukommen. Selbst wenn Geld für die Heimreise vorhanden ist, können die Nepalesen aufgrund der eingestellten Flugverbindungen nicht nach Hause kommen. Der Flugverkehr wird nicht vor Juli wieder aufgenommen. Erst gestern wurde die Frist ein weiteres Mal verlängert. Auch der Lockdown wurde erneut ausgeweitet – bis zum 14. Juni.

Ebenfalls ein großes Thema ist, die durch den Lockdown zunehmende häusliche Gewalt und eine damit einhergehende Zunahme von Suiziden. Für uns ist das in der vergangenen Woche zu mehr als nur einer Zeitungsmeldung geworden.  Wir haben die schockierende Nachricht erhalten, dass sich die Mutter zweier Patenkinder umgebracht hat. Was die Mutter zu dieser Verzweiflungstat getrieben hat, können wir nicht nachvollziehen. Es können Eheprobleme gewesen sein, aber auch Zukunftsängste. Die Kinder sind bei den Großeltern gut untergebracht und können dort die Tragödie hoffentlich gut überwinden.

Weitere Meldungen beziehen sich auf die wirtschaftliche Lage Nepals. Wie überall in der Welt lässt sich nicht absehen, wie das Land durch die Krise kommen wird. Dass es nichts Gutes für die sowieso schwache Wirtschaft bedeuten kann, muss ich niemandem erklären.
Auch die Landwirtschaft leidet. Durch den Lockdown liegen viele Felder brach. Wo die Bauern gepflanzt haben, fehlt es nun an Dünger, der durch die Grenzschließungen nicht erhältlich ist. Nepal wird in absehbarer Zukunft noch abhängiger von Nahrungsmittelimporten sein als es schon jetzt der Fall ist. Man kann davon ausgehen, dass die Preise weiter steigen werden, während das Einkommen der Menschen sinken wird.

Aber wie überall in der Welt gibt es auch die kleinen, hoffungsvollen Geschichten. Freunde berichten uns, dass sie Lebensmittelspenden erhalten haben. Die Regierung scheint – trotz diverser Probleme in den eigenen Reihen – die Verteilung bisher noch stemmen zu können. Zusätzlich gibt es verschiedene NGOs, die Nahrung verteilen. Dort engagieren sich vor allem junge Nepalesen, um Bedürftige zu versorgen.
Bisher hat uns von unseren Projektfamilien noch kein Hilferuf ereilt, dass dort die Nahrungsmittel ausgehen. So können wir die bereits gesammelten Spenden für den Zeitpunkt, an dem die staatliche Hilfe ausbleibt, zurückhalten.

Zum Abschluss möchten wir Ihnen ganz herzlich danken, dass Sie uns auch in dieser Ausnahmezeit weiterhin zur Seite stehen. Wir sind uns sicher, dass auch einige von Ihnen in eine ungewisse Zukunft blicken. Trotzdem sind bei uns viele Spenden eingegangen und alle Paten unterstützen weiterhin ihre Patenkinder. Unsere Partner in Nepal konnten unsere Antwort auf die Frage, inwiefern die Pandemie schon Auswirkungen auf unsere Projektarbeit habe, kaum fassen. Sie haben uns gebeten, ihre Dankbarkeit an Sie weiterzugeben, was wir an dieser Stelle nur zu gern tun.