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Ein Tag in Kharipati

Zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 22. Februar 2018 16:44
Veröffentlicht: Donnerstag, 22. Februar 2018 16:34
Geschrieben von Annette Berger

Heute wurden wir bereits um 09:00 Uhr von unserem Fahrer Ganesh am Guest House erwartet, der uns auf direktem Weg nach Kharipati fuhr. Mit jedem Jahr hat die Straße mehr Schlaglöcher und da sie nun erneuert wird, versperren immer wieder Baufahrzeuge den Weg.

Bei unserer Ankunft wurden wir bereits von Subadra, Pushpa, Kabita und Anjali erwartet, da der Unterricht der Klassen 11 und 12 gerade beendet war. Nach einer herzlichen Begrüßung durch den Rektor sowie Lehrer Jeevan Giri, der uns an dieser Schule in allen Belangen immer tatkräftig unterstützt, ging es gemeinsam in die „Library“, wo sich nach und nach fast alle +2 Patenkinder einfanden.

Balkrishna begrüßte die Jugendlichen und erklärte ihnen, dass wir nun die mitgebrachte Patenpost verteilen, er ihnen beim Lesen und Verstehen der Briefe gerne behilflich ist und sie anschließend alle eine Antwort verfassen können. Einer nach dem anderen wurde namentlich aufgerufen und kam zu uns nach vorne, nahm die Post entgegen und stand für ein Foto bereit.

Dann wurde ausgepackt, gelesen, gelacht und dem Sitznachbarn stolz das kleine Geschenk aus dem fernen Europa gezeigt. Patenkinder, die keine Post erhalten haben, bekamen von uns ein T-Shirt, einen Schal oder ein Cap. Auch hier war die Freude sichtlich groß.

Das Beantworten der Briefe nahm einige Zeit in Anspruch. Einige Jugendlichen wussten nicht so recht, was sie schreiben sollten, was die Paten interessieren könnte. Andere wiederum schrieben seitenlange Briefe und gaben sie schlussendlich ab.

Im Anschluss kamen die Patenkinder der Klassen 1 bis 10. Ob die Älteren zuvor eher etwas schüchtern oder einfach cool sein wollten wissen wir nicht, aber die jüngeren Kinder waren deutlich offener, fröhlicher und Salina holte sich gleich eine Umarmung von mir ab. Auch hier warteten alle gespannt auf ihren Gruß aus der Ferne und ein kleines Geschenk vielleicht. Bei Ayush und Rachit war sogar eine regelrechte Anspannung zu sehen.

 Die kleine Ayusha aus der 1. Klasse war mit ihrer Zeichnung für die Paten schnell fertig und sichtlich glücklich, dass sie zurück in ihre Klasse gehen durfte. Während auch jetzt einige Kinder sich etwas schwer taten ein Thema zu finden, das wohl die Paten interessieren würde, hatte Menuka bereits einen Brief daheim geschrieben und legte nun erneut los.

Die Einzelfotos, die wir im Anschluss auf der Galerie im ersten Stock machten, sorgten zwischenzeitlich für kleine Tumulte. Kinder mussten lachen, weil ihre Klassenkameraden Grimassen schnitten und andere wollten am liebsten gleich noch Fotos mit ihren Schulfreunden.

Gegen 13:00 Uhr waren wir wider Erwarten fertig und starteten somit zu den ersten Familienbesuchen in diesem Jahr. Dipesh, Sabita, Ashika und Bristi wurden mit dem Auto in Richtung Nagarkot mitgenommen, was sie sichtlich mit Stolz erfüllte. Die Familie von Sabita und ihrem kleinen Bruder Dipesh, der ebenfalls im Programm unterstützt wird, kommt ursprünglich aus Nuwakot. Um ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen lebt die Familie nun in Kharipati und hat zwei Räume in einem Haus aus Ziegelsteinen gemietet. Vor einigen Monaten hat die älteste Tochter geheiratet, so dass nun heute sechs Familienmitglieder hier leben. Während die Eltern ihrer Arbeit als Tagelöhner nachgehen, besuchen alle vier Kinder die Schule.

Bei Ashika trafen wir die Mutter zu Hause an, ebenso leben in der kleinen Hütte auch Ashikas Vater und ihr jüngerer Bruder. Sauberkeit und Ordnung täuschen oftmals ein klein wenig über die Armut hinweg und so empfanden wir die Umstände, unter denen die Familie lebt, nicht so bedrückend wie anderswo.

Bristi, ihre kleine Schwester und die Mutter der beiden Mädchen haben bis vor kurzem in einer kleinen Hütte aus Wellblech gelebt und konnten nun in ein altes, baufälliges Steinhaus umziehen. Da die Familie des verstorbenen Vaters etwas Land besitzt, haben sie kürzlich von der Auszahlung von Geldern der Erdbebenhilfe profitiert. Aber nur wer innerhalb von 1-2 Monate mit dem Bau beginnt, Quittungen für Baumaterialien und Arbeiter vorlegen kann, bekommt nun die 2. Auszahlung. Dieses Geld reicht kaum aus, um ein kleines Häuschen mit zwei Zimmern zu errichten. So hat sich Bristis Mutter Geld von Verwandten aus dem Süden Nepals geliehen, um mit dem Baustart die Gelder vom Staat nicht zu verlieren.

Zurück in Kharipati haben wir Avishek B. von der Schule abgeholt und sind zu ihm nach Hause gefahren. Wie schon im letzten Jahr bei den Bista-Brüdern trafen uns diese Lebensumstände knallhart. Ein Stall, in dem gekocht wird und von dem zwei extra Räume abgehen. Menschen, die wirr reden, weil sie unter Drogeneinfluss stehen. Auch Balkrishna sagte, unter diesen Umständen kann der Junge nicht lernen und leben. In diesem Fall werden wir weitere Gespräche mit Avishek und seiner Mutter führen und versuchen, vielleicht eine Alternative zu finden.

Die kleine Namrata und ihr Bruder Navaraj nahmen heute nicht am Unterricht teil, daher haben wir auch sie zu Hause aufgesucht. Die Familie stammt nicht aus der Gegend und hat in Kharipati zwei kleine Zimmer gemietet. Leider haben wir nur den ältesten Bruder der Beiden angetroffen, der uns erklärte, die Familie sei auf der Hochzeitsfeier bei Verwandten.

Und so geht auch dieser Tag langsam zu Ende, der sehr schön und auch ein wenig anstrengend war.

Die nächsten drei Tage werden wir in Dolakha verbringen, ca. 125km von Kathmandu entfernt. Wir werden dort liebgewonnene Freunde besuchen und den Berggipfeln des Himalaya auf 3800m noch etwas näher kommen.